Zeitkapsel 005: Teufelsbadstubensteig 11.11.2012

Gerhard Hallstatt gibt uns die Ehre, in unregelmäßigen Abständen einige seiner „Zeitkapseln“ in unserem Blog zu veröffentlichen: Photographien von einzelnen „magical mystery tours“ mit Tagebuchaufzeichnungen.

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Dramatis personae: zwei Gemsen, Teufel, Elias Lönnrot, Guido von List
Schauplatz: Hans-Haid-Steig, Teufelsbadstubensteig, Rax, Niederösterreich

„Um fünf Uhr stand ich auf. Ich packte für die Bergtour, nahm die Klettersteig-Ausrüstung mit und auch den Schlafsack, falls ich Lust hatte, auf einer der Berghütten der Rax zu übernachten. Es war ein gutes Gefühl, den Rucksack wieder auf dem Rücken zu spüren. Um halb sieben saß ich im Zug nach Payerbach-Reichenau. Über mir war eine Mischung aus hellen Wolken und blauem Himmel. Der Wetterbericht aber meldete Regen am Nachmittag oder Abend. Ich las Der Wanderer von Elias Lönnrot, der als Arzt und Dichter viel in entlegenen Gegenden Finnlands unterwegs war, zu Fuß, auf den Schiern und auch im Boot, auf der Suche nach Dichtungen, Liedern, Sagen seiner Heimat.

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Um acht Uhr war ich in Prein. Im Bus von Payerbach-Reichenau nach Prein war ich der einzige. Im Tal war es wärmer und sonniger, als ich erwartet hatte. Ich hatte auch mit etwas mehr Schnee auf der Rax gerechnet, sah aber nur einzelne Stellen. Ich stieg über Sonnleiten auf. Bei einem Haus sah ich Ziegen, Gänse, Schafe. Die Pferde, die ich im Sommer oft gesehen hatte, waren leider nicht mehr auf der Weide. Kurz vor zehn Uhr frühstückte ich beim Einstieg zum Hans-Haid-Steig, einem teilweise recht schwierigen Klettersteig mit einigen senkrechten Stellen auf der Ostseite der Rax. Bei meinem Frühstück aus Dinkelfladenbrot, Schnittlauchkäse und Tee trug ich bereits den Helm, denn die haselnußfarbene und eisengraue Wüste über mir war etwas steinschlaggefährdet. Ich biß gerade in ein Stück Brot, als mich zwei Gemsen fast über den Haufen rannten. Sie sprangen hinter einem Felsblock hervor – und waren ebenso überrascht wie ich.

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Um zehn Uhr begann ich mit dem Klettersteig. Ich filmte und photographierte einige der schwierigeren Stellen. Die Sonne schien von Zeit zu Zeit. Ich war alleine unterwegs, hatte aber vorher zwei andere Bergsteiger im oberen Teil gesehen, auch zwei Kletterer im brüchigen Gelände unter der Königsschußwand, einem anderen Klettersteig ganz in der Nähe, der zwar viel kürzer war als der Hans-Haid-Steig, aber auch um einiges schwieriger. Kurz vor zwölf hatte ich den Klettersteig hinter mir. Auf dem Rax-Plateau ging etwas Wind. Ich ging nach Norden über die Hochebene mit den vielen Latschen. Um ein Uhr war ich im Erzherzog-Otto-Schutzhaus auf 1644 m, aß dort einen Kaiserschmarrn und trank Kaffee.

Um zwei Uhr ging ich weiter zur Nordseite der Rax und stieg eine Stunde später den Teufelsbadstubensteig auf der Nordseite der Rax hinunter. Diese Route trug ihren Namen nicht zu Unrecht, die Einheimischen hatten sich etwas dabei gedacht, als sie gerade diesen Weg und nicht einen der anderen auf die Rax auf diesen Namen tauften. Nur in dieser unwegsamen, versteckten Wildnis würde ein echter Teufel baden. Daß er von Zeit zu Zeit badete, aber nicht täglich, war zu erkennen, wenn es stark regnete und kleine und große Felsbrocken aus der Schlucht ins Tal rollten, dessen Name sehr gut zur Teufelsbadstube paßte: Höllental. Hier schien auch die Sonne nicht herein, es war hier auch im Sommer kühl und schattig. Wer weiß, welche heidnische Gottheit einst in dieser versteckten Schlucht gebadet hatte …

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Der Teufelsbadstubensteig war zwar wesentlich leichter als der Hans-Haid-Steig, aber dafür drohte Gefahr durch möglichen Steinschlag. Auch hier gab es einige knifflige Stellen, allerdings war keine senkrecht wie im Hans-Haid-Steig oder in der Königsschußwand. Die orangefarbenen, safranfarbenen Lärchen im November bildeten einen wunderbaren Gegensatz zu den eisernen und silbernen Wänden, dem weißen Geröll, dem dunkelgrünen Wald. Ich photographierte und filmte auch hier und blickte immer wieder hinüber auf den Gaislochsteig, in dem Guido von List, Autor der Deutsch-Mythologischen Landschaftsbilder und Sekretär des Österreichischen Alpenvereins, 1869 einmal abgestürzt war. Danach hatte er mit der Hilfe von zwei Jägern und acht Holzknechten die gefährlichsten Stellen des Gaislochsteiges mit eisernen Haken und Ketten entschärfen lassen. Wieviele Jäger, Holzknechte, Mitglieder des Alpenvereins waren wohl bei der Errichtung anderer Wege auf der Rax beteiligt? Hans-Haid-Steig und Königsschußwandsteig entstanden allerdings erst Jahrzehnte später.

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In diesem Steig traf ich nur zwei Leute. Unten im Höllental, das für Guido von List einst der Unterweltsgöttin Hel geweiht war, war es wieder wärmer, windstill. Um halb fünf war ich auf der Straße, die von Kaiserbrunn nach Reichenau führt. Am Himmel sah ich jetzt einige Regenwolken. Vielleicht stimmte der Wetterbericht ja doch. Ich ging in Richtung Bahnhof. Ein Auto blieb stehen, eine Mutter mit ihrem Sohn nahm mich mit. Um halb sechs saß ich schon im Zug – und um diese Zeit war es auch draußen schon stockfinster. Einige Regentropfen fielen auf das Zugdach. Nachts hatte ich recht wenig und unruhig geschlafen, und mir fielen im Zug schon nach wenigen Minuten die Augen zu.

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Um sieben Uhr abends war ich zu Hause und heizte den Holzofen ein. Ich machte es mir gemütlich und las noch etwas in Lönnrots Der Wanderer.“ (Gerhard Hallstatt, 11.11.2012)


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