The A-Series, Pt. 3
Der Tag fängt mit einem guten Frühstück an. Danach gehen wir schon recht früh los, verabschieden uns mit einem Blick zurück vom Kirchenwirten und marschieren die Straße entlang nach Wallsee hinunter.



Ein kurzer Blick auf das Schloss wird uns nur durch das Gittertor gewährt, daneben ist ein Schild, das ungeniert genau das ausdrückt, was es ausdrücken soll. Das Schloss Wallsee ist nach wie vor im Eigentum des Hochadels (wieso haben diese Leute eigentlich immer noch so viele Güter und Schlösser und Ländereien – wollte man die nicht enteignen oder ihnen zumindest Teile ihres unrechtmäßig erworbenen Besitzes wegnehmen?), und der braucht sich nicht zu verstellen, schon gar nicht draußen in der Provinz.
Weil wir uns mit dem Schloss aufgehalten haben, vergessen wir völlig, dass wir eigentlich auch die Kirche des Ortes aufsuchen wollten … also wieder einen Stempel verpasst.

Durch den Ort und seine Ausläufer geht es hinunter an einen Donaualtarm, wo die Bootseigner stolz auf ihre Fischereierfolge sind, auf einem Weg durch die Au weiter …



… und schließlich an den Punkt, wo sich unsere Wege trennen. Es ist nämlich so: Der Original-Jakobsweg biegt an dieser Stelle links ab und führt bergauf nach Strengberg. Nein, einen Original-Jakobsweg gibt es ja in Wirklichkeit gar nicht, den legt sich jeder Wanderführerautor so zurecht, wie es ihm oder ihr gerade gefällt, also sagen wir lieber: der hier markierte Jakobsweg. Und den will ich gehen, obwohl die Autorinnen meines Büchleins sagen: eineinhalb Stunden Umweg, 200 Höhenmeter mehr, zwei Abschnitte an der stark befahrenen B1– und daher ihren Lesern empfehlen, lieber unten am Wasser zu bleiben. Aber ich bin kein Abweichler, zumindest nicht in dieser Hinsicht …
Also verabschiede ich mich also von der lieben Frau Gemahlin und mache mich auf den Weg nach Strengberg, wohingegen sie sich über die kleine Brücke unten rechts in die Au verzupft.


Da ich kameratechnisch nicht gerüstet bin, sehen Sie von meiner kurzen Bergwertung hier keine Photos, sondern müssen sich mit einer Beschreibung zufriedengeben: Der Anstieg war keineswegs anstrengend, sondern geradezu idyllisch (zur Abwechslung wenig Asphalt!). Gleich zu Beginn sehe ich rechts neben dem Weg, gegenüber einer Kuhweide, eine seltsame Containersiedlung mit arabisch anmutenden Flaggen, beschließe aber, nicht weiter darüber nachzudenken, weil mich das zu sehr deprimieren würde.
In Strengberg besuche ich die schöne Kirche des Ortes, marschiere dann – der Markierung folgend – an der Straße entlang, aber auf einem gemütlichen Gehsteig, kaufe mir im Supermarkt Pflaster und ein kühles Erfrischungsgetränk, biege dann wieder in die Natur ab, um nach einigen Kilometern auf und ab wieder die Bundesstraße zu erreichen. Und an deren Rand hatsche ich dann wirklich lang dahin, bis mir auffällt, dass die Abzweigung schon lang hätte da sein müssen (andere Wanderbuchautoren erwähnen auch, dass sie kaum zu sehen ist). Ich nehme also die nächste schmale Straße nach rechts, gehe ein Stück bergab, erfahre von einer freundlichen Bauersfrau, dass der Jakobsweg gleich um die Ecke ist, finde ihn auch sofort und spaziere auf ihm Richtung Donau hinab.


Dort ist eine Radfahrerstation (weil der Weg unglücklicherweise ein Stück gleich mit dem Donauradweg verläuft), und dort kommt auch schon wutentbrannt meine wunderbare Frau daher. Wir haben nämlich ausgemacht, dass wir uns bei der Aukapelle Maria Heimsuchung (siehe Bild oben, samt Radfahrer) treffen, aber die ist einen Kilometer weit weg – und obwohl ich pünktlich bin, ist halt der Ort der falsche. Ich werde biblisch („Durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine übergroße Schuld“), die Aufregung legt sich irgendwann wieder, der Radweg biegt auch ab, und der Jakobsweg hat uns endlich gemeinsam wieder. Es geht wieder leicht bergauf, durch kleine Ortschaften und Ansiedlungen, …


… über Feldwege und an den allgegenwärtigen Marterln vorbei, bis wir in den Ort Erla kommen und dortselbst die Kirche umrunden, auf der Suche nach dem Haupteingang zu diesem Gotteshaus.


Und was müssen wir sehen, als wir zu einer kleinen Kreuzung mit Sitzbänken kommen? Genau, das Geschmacksverbrechen auf dem Bild unten:

Als wäre dieses debile „Ein Sackerl fürs Gackerl“ in Wien nicht schon schlimm genug, gibt es offenbar auch hier im ländlichen Bereich Werbetexter oder beamtete „Kreative“, denen wirklich nix zu deppert ist. Wenn ich ein Hund wäre, wüsste ich, was ich gleich daneben zu tun hätte …


Aber egal. Wir finden den Eingang zur wunderschönen Pfarrkirche St. Peter und Paul, der ehemaligen Stiftskirche eines Benediktinerinnenklosters, und bestaunen sie von außen und von innen. Besonders der Stammbaum auf dem Photo unten links hat es uns angetan.


Was mich jedoch höchst wunder nimmt, ist der Weihwasserbehälter, mit dem sich die Gläubigen von Erla zufriedengeben müssen. Dieses Elend hat während der Coronadiktatur begonnen; da hat man die ohnehin vorhandenen Weihwasserbecken entweder aus Angst vor dem Virus gar nicht mehr befüllt oder einfach Salatschüsseln reingestellt (wenn nicht gar, wie in Mautern, hochmoderne Weihwasserspender installiert wurden). Aber sowas? Ein Plastikgschirrl vom Chinesen oder von Lieferando? Das kann doch nicht ihr Ernst sein, Hochwürden!

Von Erla ist es nur mehr eine halbe Stunde bis nach St. Pantaleon hinunter, wo wir uns im einzigen Haus am Platze eingemietet haben. Aber dort ist heute Ruhetag, also sinken wir einmal auf Liegestühlen im Garten erschöpft zusammen, bis uns die Wirtin bemerkt und uns unser Zimmer zeigt. Nachdem wir uns den Schweiß abgewaschen haben und ich die Blasen an meinen Füßen versorgt habe, retirieren wir wieder in den Garten, lesen und harren der Dinge, die da kommen sollen. (Die Ruhe an einem solchen Ruhetag ist geradezu bedrückend …)

Später am Nachmittag unternehmen wir einen kurzen Spaziergang am Bächlein entlang, um den Dorfladen des Ortes aufzusuchen. Hier haben ein paar unternehmungslustige Herren nicht nur ein (herrlich klimatisiertes) Geschäftslokal mit den üblichen regionalen Spezialitäten eingerichtet, sondern auch Kaffee- und Getränkeautomaten aufgestellt, eine E-Tankstelle und einen Automaten für innovative Tabakprodukte (sagt man so, wenn sich keiner mehr echte Tschick rauchen traut?) installiert und vor dem Haus sonnenbeschirmte Tische aufgestellt. Wir essen also ein Eis, trinken g’spritzten Most und können somit die wahrscheinlich einzige Attraktion von St. Pantaleon abhaken.


Nach dem für die Hausgäste servierten Abendessen (der Gasthausbesitzer ist unwahrscheinlich schlecht gelaunt, wahrscheinlich, weil er nicht einmal am Ruhetag seine Ruhe hat) spielen Katharina und ich noch zwei Runden Würfelpoker. Dabei überlege ich mir, dass ich plötzlich doch ein Abweichler bin, weil das alles mit meinen üblichen Lebensgewohnheiten so gar nichts zu tun hat. Ist es etwa das, was andere Leute unter „Urlaub“ oder „Freizeit“ verstehen? Jedenfalls habe ich hier weder Computer noch iPad dabei, versenke mich nicht in drei, vier Bücher oder Hefte gleichzeitig (sondern führe bewusst langweilige Kriminalgeschichten mit, um nicht schon wieder dauernd zu lesen), sondern sitze plötzlich da und spiele Würfelpoker (?!¶”$][?!). Das kommt plötzlich auch einem der Würfel so spanisch vor, dass es ihn einfach zerreißt. Ein Qualitätsprodukt – zehn Würfel für 99 Cent. Da haben wir ja Gott sei Dank immer noch genug zum Weiterspielen.


Im Zimmer probiere ich es dann mit Fernsehen, schalte alle vorhandenen Sender durch – aber es geht einfach nicht. Den geballten Schwachsinn hält man einfach nicht aus, auch wenn er sich hinter dem angeblichen „Auftrag“ des öffentlich-rechtlichen Zwangsgebührensenders versteckt. Das Spannendste an gewissen Gasthof-Pensionen ist halt immer noch die Lüftung im Bad.
PS:
The A-Series, Pt. 3-I
Alptraumnacht
Wir wollen früh schlafengehen, aber eine Laterne genau vor unserem Fenster scheint genau ins Zimmer, außerdem hört man alle anderen Gäste und Bewohner der sogenannten Ringstraße, als würden sie neben dem Bett stehen. Also Fenster zu.
Zirka zwei Stunden später erwachen wir wieder, weil es uns am ganzen Körper juckt. Gelsen? Bettwanzen? Nein, wir sind einfach verschwitzt. Also Fenster wieder auf. In dem Moment bemerke ich, daß an der Wand über meinem Bett (in diesem Zimmer gibt es kein Doppelbett, sondern – so wie früher häufig – nur zwei Einzelbetten, obwohl wir nachweislich verheiratet sind) eine große schwarze Spinne hockt. Wie kriege ich die jetzt weg? Die junge Frau aus dem Nebenbett und ich schauen nur eine Sekunde forschend woanders bin … und beim nächsten Blick Richtung Wand und Plafond ist die Spinne auf einmal weg. Spurlos verschwunden. Wo ist sie nur hin? Ich schaue kurz, ob sie hinters Bett, in meine Bettwäsche oder hinter das geschmackvolle Bild an der Wand gesprungen ist, aber erfolglos. Und dann gebe ich auf, weil ich für alles zu müde bin, und schlafe unruhig weiter.
Wieder zwei Stunden später, gegen drei oder vier Uhr, es ist noch finster, reist eine Familie ab. WER REIST BITTE UM EINE SOLCHE UHRZEIT AB?!?! Die unzivilisierten Leute (dem Gehör nach Franzosen) haben ihr Auto genau unter unserem Fenster stehen und kommentieren ihren Aufbruchsvorgang bis ins Kleinste. Noch dazu hat dieses Auto ungefähr 19 Türen, die permanent auf- und zugeschlagen werden. Als dann endlich alle drinsitzen, startet der Papa den Motor an und lässt sich noch einmal zehn Minuten Zeit, wahrscheinlich, weil er abwarten muss, bis das Navi mit ihm redet oder bis alle Kinder chloroformiert sind. Jetzt weiß ich wieder, warum ich Franzosen so mag.
Gegen halbsechs, jetzt ist es schon sinnlos hell, ertönt ein klapperndes Geräusch vor dem Fenster. „Das ist aber ein seltsamer Vogel“, sagt die schlaftrunkene Katharina. „Oder es is gråd einer mit Kastagnetten vorbeig’rennt“, erwidere ich. Daraufhin lacht sich meine Frau wach, aber ich sehe das in meinem schwer übernächtigen Zustand wirklich plastisch vor mir: das schäbig verfallene Einfamilienhaus ums Eck, in dem irgendein Freak im Keller gehalten wird – und nur in der Früh rausdarf, mit seinen wild ratternden Kastagnetten in der Hand, um eine Runde um den Block zu rennen. Und dann sperren sie ihn wieder ein. So stelle ich mir die Welt vor, und so kenne ich sie aus den trashigen Filmen, die ich zeitlebens geschaut habe. Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Und so geht es weiter: Frühstück, Rucksack umgeschnallt und ab in die Sonne. (ph)
2 Gedanken zu “Abweichler”