Eigentlich hätte das ja eher eine Photostory werden sollen, wegen der vielen Bilder. (Übrigens, falls ich vergessen haben sollte: Die wunderbaren Photos in diesem Beitrag und fast allen anderen Beiträgen stammen von meiner mindestens genauso wunderbaren Frau Katharina.) Aber dann fällt einem doch soviel ein, was erzählenswert wäre – und man muss darauf achten, dass man keine Touristenbroschüre schreibt, weil es davon eh genug gibt. Aber lassen wir uns überraschen …
Unser Sonntag in Bologna beginnt um 10 Uhr vormittags mit der englischsprachigen Führung (siehe Teil 1 dieses Berichts). Da wir aber zu früh dran sind, gehen wir vorher noch bei Eataly vorbei und frühstücken dort. Cappuccino und ein gefülltes Croissant. Diese erste kulinarische Pause soll uns zur lieben Tradition werden, die wir bis zum Abreisetag einhalten. Dann marschieren wir weiter zum Hauptplatz Piazza Maggiore und warten ab, bis wir von der Fremdenführerin eingesammelt werden.

Die Dame spricht so angenehm wie gescheit und kann uns sehr viel über die Altstadt von Bologna erzählen – auch, warum die Basilica di San Petronio (die Kirche auf dem Bild oben) nur bis zur Hälfte mit einer anständigen Fassade verkleidet ist oder was die diversen Türme und ihre Form bedeuten. Allerdings erfahren wir an dieser Stelle nicht, wie der Neptun auf dem Brunnen (unten links) es mit seinem Gemächt geschafft hat, bei Facebook als „zu explizit“ verboten zu werden. Ob das auch für seine Damen – die Nereiden – gilt, die sich hier als freudige Wasserspenderinnen geben?


Jedenfalls ist die Führung sehr zu empfehlen. Als sie vorbei ist und wir vom langsamen Hatschen etwas müde sind, flanieren wir durch die Arkaden und die auf Touristenanstürme gut vorbereiteten Gassln, bis wir uns selbst zu einem Mittagsimbiss hinsetzen. Und ja, ich weiß: Essensphotos im Internet sind deppert. Aber das gilt A. nur für Bilder, die sogleich in den asozialen Medien „gepostet“ werden, damit sie wer „liked“ oder kommentiert und B. nicht für diese schön anzusehende und wohlschmeckende Mortadella, die zu den Bologneser Spezialitäten gehört. Und das völlig zu Recht …



Nachdem wir uns den Bauch vollgeschlagen haben, ist wieder ein wenig Bewegung vonnöten. Wir hatschen also aus der Innenstadt heraus, bis wir den mittleren Einstieg zum Portico di San Luca erreichen. Dieser insgesamt fast 4 Kilometer lange Bogengang mit 666 Bögen und 15 Kapellen führt ordentlich bergauf, oft auch über Stufen. Als wir nach dem Aufstieg das Santuario della Maria di San Luca erreichen, wundere ich mich kurz, dass die Bögen ab Nummer 662 nicht mehr numeriert sind – aber wahrscheinlich ist das so, damit Leute wie ich nicht dort blöd herumstehen und die Zahl des Tiers am christlichen Heiligtum photographieren. Dabei wurde der Aufgang absichtlich so gestaltet, eben wegen dem Teufel, auf den auch die Schlangenform hinweist, in der sich der Arkadengang auf ca. 300 Meter Seehöhe hinaufzieht. Und oben steigt die Madonna dann dem Scheitan auf den Kopf.



Und wir schauen noch einmal hinunter und freuen uns, dass wir diese Sonntagswanderung bis hier herauf geschafft haben.

Weil’s so schön war und in unserer Welcome Card enthalten ist, steigen wir dann auch noch über eine steile Wendeltreppe zur Panoramakuppel der Wallfahrtskirche hinauf und genießen die wunderbare Aussicht über die Hügel von Bologna.

Nach einer Runde durch Kirche, Kloster und Souvenirshop (wir sind absolute Opfer für alle Souvenirshops …) setzen wir uns noch ein bissl im Garten hin, regulieren den Flüssigkeitshaushalt und wagen uns dann an den Abstieg. Es ist heiß und bergab auch nicht ganz einfach (die Knie!) – und umso mehr bewundere ich eine alte Dame, schwarz gekleidet und mit einem strengen bis mürrischen Gesichtsausdruck, die am Stock geht, uns stolz entgegenkommt und beim Bergaufgehen eine Zigarette raucht. So gehört’s gemacht! Die Unbekannte zählt von diesem Moment an zu meinen heimlichen Idolen.


Beim Zurückgehen lassen wir besagten mittleren Einstieg links liegen und gehen den gesamten Portico hinunter, bis zu seinem Beginn bei der Porta Saragozza … und von dort weiter in mittlerweile vertraute Gefilde. Auf dem Weg kommt man, wie das in italienischen Städten (auch kommunistischen) üblich ist, an vielen Kirchen vorbei, die zu einem überwiegenden Teil sehenswert sind und in denen man sich ordentlich das Gnack verrenken kann, wenn man die Deckenmalereien genauer betrachtet.


Was wir aber noch sehen, nachdem wir uns schon über die Via dell’Inferno in der Nähe unseres Quartiers gefreut haben: die Straße ohne Namen. Ein besserer wäre mir auch nicht eingefallen …

Am Weg erblicken wir auch immer wieder Lebensmittel- und Delikatessengeschäfte, an denen man erkennt, dass die Menschen in dieser angeblichen „Slow Food“-Stadt (man hat mich belehrt, daß Slow Food nichts mit langsam essen zu tun hat, also behalte ich mein zügiges Fresstempo bei) zu leben verstehen. Und hungrig machen einen die Auslagen auch, …



… also schreiten wir zur nächsten Einkehr, diesmal mit Cotoletta alla bolognese, Erdäpfeln und Lasagne. Der Rotwein ist auf diesem Bild nur mehr teilweise vorhanden und lässt sich sehr gut trinken, danke der Nachfrage.

Am nächsten Tag machen wir uns selber zur Stadterkundung auf. Interessant finde ich, dass ich auch nach der x-ten Runde noch keine automatische Orientierung habe, im Gegensatz zu Venedig oder Florenz, wo ich mich ziemlich schnell zurechtfinde. Aber Bologna ist so verwinkelt und gefinkelt angelegt, dass ich mich dauernd wundere, dass ich jetzt schon wieder da bin, wo ich doch seit zehn Minuten von da weggehe und eigentlich ganz woanders sein müsste.
Naja, wurscht, hat man halt länger was davon. Zum Beispiel findet man nach etlichen Ehrenrunden endlich die kleine Kirche Santa Maria della Vita, nur wenige Meter von der Piazza Maggiore entfernt, in der es die unglaublich ergreifende, dynamische, hinreißende Skulpturengruppe „Die Beweinung Christi“ von Niccolò dell’Arca zu bestaunen, bewundern und beweinen gibt. Ehrlich: Wir waren hingerissen, haben uns dort ein paar Minuten auf die Bank gesetzt, alles genau betrachtet, sind näher hingegangen, haben Photos gemacht und geschaut und nachgedacht und wären am liebsten gar nicht mehr weggegangen. Ich sage ja sowas nicht oft, aber: Das MUSS man gesehen haben!

Im Souvenirshop hat keiner mit solchen Umsätzen gerechnet, aber wir mussten naturgemäß gleich so gut wie alle Ansichtskarten dort erwerben … und einen Rosenkranz.



Unser nächstes Ziel ist der Palazzo dell’Archiginnasio, das erste zentrale Universitätsgebäude der Stadt, das heute die Stadtbibliothek (leider nur in Teilen zu besichtigen), unzählige Wappen und Inschriften der Studenten und Professoren an allen Wänden, aber vor allem den alten Anatomiesaal, das Teatro anatomico, beherbergt. Der Gelehrte auf dem Bild links, der stolz eine Nase in der Hand hält, war der Chirug Gaspare Tagliacozzi, der im 16. Jahrhundert eine Form der Rhinoplastik entwickelte. Soll heißen: Man konnte sich schon damals, wenn das Riechorgan zum Beispiel von der Syphilis zerfressen war, eine künstliche Nase zulegen, die aus der Haut des Oberarms gebildet wurde; allerdings musste man dafür den Arm ein paar Wochen vor dem Gesicht tragen, damit das Gewebe auch ordentlich anwuchs. Wenn’s schöner macht …
Die beiden hautlosen Herren auf dem Photo rechts, die das Dach der Lehrkanzel stützen, sollten den Studenten der Medizin zeigen, wie der Mensch ohne äußere Hüllen aussieht. Den Rest erfuhren sie dann durch die Obduktionen auf dem Seziertisch, der heute noch in der Mitte des Raums steht. Und das ganz ohne Triggerwarnung.


Wir spazieren weiter zur Piazza Minghetti, wo am Sonntag ein großer Blumen-, Gemüse- und Lebensmittelmarkt aufgestellt war, und sehen am imposanten Postamt die Einwurfschlitze für die verschiedenen Arten von Postsendungen. Angesichts dessen fragt man sich dann doch, warum eine einfache Ansichtskarte aus Italien günstigstenfalls nach drei Wochen in Wien eintrifft.

Am späteren Nachmittag verschlägt es uns dann wieder in ein Restaurant, aber diesmal erspare ich dem Leser die Essensphotos und erfreue ihn lieber mit dem Bild eines Kanals, den man durch ein Fenster neben dem Lokal sehen kann. Besagtes Fenster hat einen kleinen hölzernen Fensterladen, und ich wundere mich, warum so viele junge und ältere Menschen dorthin streben, den Fensterladen immer mit der gleichen Bewegung öffnen und sich dabei von anderen Menschen dümmlich in den Kanal grinsend mit dem Smartphone abbilden lassen. Die gute Gattin erklärt mir, dass Instagram daran schuld ist, weil die Menschlein das Photo/Video dort immer gleich posten. Und ich frage mich wieder einmal, warum die Herde so leicht am Nasenring herumzuführen ist … finde aber keine Antwort darauf. Logisch.
Daher verweise ich zum Schluss auf ein Getränkephoto, das abends in einer freundlichen Cocktailbar mit angenehmer Jazzmusik entstand. Besagte Bar wird uns in den kommenden Tagen noch gute Dienste leisten, weil sie bei jedem Wetter gute Drinks serviert. (ph)

